Inverse Probleme im Blick
23.06.2020Frank Werner ist neuer Professor in der Mathematik. Bevor er an die Universität Würzburg kam, hat er eine Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen geleitet.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie wollten eine Stradivari-Geige bauen. Sie wissen genau, welchen Klang das Instrument haben soll. Und jetzt fragen Sie sich, welches Holz Sie verwenden, wie Sie es zuschneiden und zusammenbauen müssen, damit die Geige genau den Klang erzeugt, der Ihnen vorschwebt. Für dieses Problem sollen Sie eine mathematische Beschreibung finden. Und schon sind Sie mittendrin in einem inversen Problem der Mathematik.
Bei inversen Problemen geht es darum, für eine bekannte Wirkung die Ursache zu beschreiben. Solche Probleme nehmen in Medizin, Physik und den anderen Naturwissenschaften eine zentrale Stellung ein: Man beobachtet einen Effekt und will seine Ursache klären.
Fortschritte in der Fluoreszenz-Mikroskopie
Der Mathematiker Frank Werner, der seit April 2020 als Professor an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg arbeitet, ist ein Experte für inverse Probleme. Er war zuletzt Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen. Dort hat er sein mathematisches Fachwissen eingesetzt, um Fortschritte in der Fluoreszenzmikroskopie zu erreichen.
„In der Biophysik will man zum Beispiel Proteine, das Zellskelett oder andere Zielobjekte in der Zelle sichtbar machen. Dazu markiert man die Ziele zuerst mit Farbstoffen, die Mikroskopie macht dann die Farbstoffe sichtbar. Aufgrund der Aufnahmen möchte man genau sagen können, wo sich die Zielobjekte in der Zelle befinden und wie viele es sind.“
Statistische inverse Probleme lösen
Ein typisch inverses Problem also. Frank Werner allerdings geht bei seiner Arbeit noch einen Schritt weiter: Er will statistische inverse Probleme lösen. Das heißt: „In Beobachtungen, die man in der Naturwissenschaft macht, stecken auch Effekte, die man nicht deterministisch beschreiben kann. Wir haben immer statistische Fehler dabei, die es mit einzuberechnen und zu kontrollieren gilt.“
Gelungen ist ihm das in Göttingen zum Beispiel bei einer Kooperation mit der Gruppe von Professor Stefan Hell, der 2014 den Chemie-Nobelpreis für die Mitentwicklung der hochauflösenden Fluoreszenz-Mikroskopie bekam.
Mit Hells Gruppe hat Werner ein Messverfahren etabliert, um die Zahl von Proteinen und anderen Zellstrukturen sowie den statistisch genauen Ort ihres Aufenthalts zu bestimmen. „Im Ergebnis konnten wir beispielsweise nicht nur sagen, dass sich ein Protein X in der Zelle in einem Areal Y aufhält, sondern dass es sich mit 95prozentiger Sicherheit genau dort aufhält.“
Was die universitäre Mathematik besonders macht
Dass Frank Werner Mathematiker wurde, lag an einem Lehrer. Der begeisterte seinen Schüler zunehmend für Mathematik. „Ich fand Geschichte und Literatur auch sehr interessant, aber dieser Lehrer hat in seinem Unterricht schon starke Brücken zur universitären Mathematik gebaut. Das hat mich so angesprochen und fasziniert, dass ich dann auch Mathematik studiert habe.“
Was die Schulmathematik von der universitären Mathematik unterscheidet? „In der Schule wird Mathematik meist wie ein Handwerk unterrichtet. Da geht es zum Beispiel darum, wie man Fragen mathematisch formuliert oder Dinge ausrechnet“, erklärt Werner.
Im Studium dagegen müsse man die Mathematik neu lernen – wie eine eigene Sprache, die stringent und logisch aufgebaut ist. „Das macht den Studienstart in Mathematik anders als in anderen Fächern und für manche Anfänger auch herausfordernd.“
Werdegang des neuen Professors
Frank Werner, Jahrgang 1985, stammt aus Nordhessen, aus der Nähe von Kassel. Seine wissenschaftliche Karriere verlief bislang in Göttingen. Dort schloss er 2009 das Mathematikstudium mit dem Diplom ab, promovierte 2012 und forschte und lehrte dann am Institut für numerische und angewandte Mathematik als Postdoc.
2014 wechselte Werner als Leiter einer Forschungsgruppe ans Göttinger Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie. Von dort folgte er zum 1. April 2020 dem Ruf auf die Professur für Inverse Probleme am Institut für Mathematik der JMU.
Berufsaussichten für Absolventen
Für die Würzburger Studierenden wird Werner sowohl Grundlagen- als auch Spezialvorlesungen halten. Was die Karrierechancen der Absolventen betrifft, hat der Professor eine gute Nachricht: „Die Berufsaussichten für Mathematikerinnen und Mathematiker sind sehr gut! Ich kenne viele Absolventinnen und Absolventen, die Anstellungen in Industrie, Versicherungen, Banken oder bei Unternehmensberatungen bekommen haben.“
Kontakt
Prof. Dr. Frank Werner, Professur für Inverse Probleme am Lehrstuhl für Mathematik IX (Wissenschaftliches Rechnen), Universität Würzburg, T +49 931 31-87118, frank.werner@mathematik.uni-wuerzburg.de